Protokoll der 3. Aurora-Konferenz vom 18. Juni 98

Hinweis: Neuere Beiträge erscheinen oben, Antworten sind jeweils eingerückt.
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  Konferenz/Conference (108)

 

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Experten auf dem Forum
Aurora Deutsch-Russische Medieninitiative

Betreff: Konferenz - Von: Bernd vd Brincken - Datum: 27.06.1998
Moderation: Die Konferenz wird nun geschlossen, sie wird archiviert und ist unter Aurora zu lesen.
Dort finden sich auch Links, Protokolle auf bisherige Konferenzen und aktuelle Hinweise.
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Nächste Konferenz: Rechtspolitik und Sicherheit in Rußland, Oktober 98

Betreff: zu Lebed - Von: Kai Ehlers - Datum: 20.06.1998
Alexander Lebed dürfte der Herausforderer für die Präsidentenwahl 2000 werden. Er selbst wirbt ja für einen "Dritten Weg", eine "Dritte Kraft". Tatsächlich kann er sich auf das Bedürfnis vieler Menschen stützen, einen Weg zu finden, der die Extreme der bisherigen Ergebnisse der Privatisierung zum einen und die der orthodoxen Antworten Szuganows u.a. zum anderen vermeidet. Für Lebed spricht auch der Nimbus, den tschetschenischen Krieg beendet zu haben für ihn wirkt seine Propaganda gegen die Mafia, die Korruption etc. Die sanfte Ordnungspolitik, die er verspricht, hat Chancen gehört zu werden.
Dazu kommt, daß er mit seinem Antritt als Gouverneur von Krasnojarsk jetzt eine Region zum Ausgangspunkt seines Feldzuges gewonnen hat, die stark ist. Regionen sind heute - wie bei Nemzow - generell die Platformen, von denen her die neuen Kräfte wachsen. Das alles macht ihn für die etablierte Privatisierungselite der Generation der Tschubajs und Freunde zum gefährlichen Gegner. Sollte Lebed stärker werden, werden sie vermutlich versuchen, ihn zu stoppen. Das kann eine harte Konfrontation werden. Auf diesen Gang der Dinge wird zu achten sein.

Betreff: Meine Beiträge - Von: Kai Ehlers - Datum: 20.06.1998
Hallo, liebe Mitdiskutanten.
Sorry für die Schreibfehler. Kann man sie korrigieren? Sonst schauen Sie bitte großzügig darüberhin. Auch die Internet-Debatte muß ja erst gelernt werden. Jedenfalls gilt das für mich.
Danke für Ihre Nachsicht.

Betreff: Fragen zur "Spilewiese" und Antworten auf Fragen - Von: Kai Ehlers - Datum: 20.06.1998
Hallo, leider komme ich etwas spät. Ich möchte mich aber zu den Fragen, die gestellt wurden noch äußern. Rußland eine "Spielwiese", wie Frau Sabine Nuss es in die Debatte warf?
Spielwiese ganz sicher - insofern dort ein Prozess der Transformation nachholender, forcierter extensiver Industrialisierung in eine zukünftige intensiv stattfindet.
Die nachholende Industrielialisierung ist an eine Grenze gestoßen, die sich kriesenhaft äußert.
Wie weiter also?
Die Sanierungs- und Entwicklungskonzepte des IWF etc. transportieren neoliberalistische Sanierungskonzepte in den nachsowjetischen Raum, die im Westen selbst bereits nicht mehr zugelassen werden bzw. einfach durch die faktische staatskapitalistische Wirtschaftslenkung überholt sind.
Wieso sollte das in Rußland funktionieren, was im Westen überholt ist? Und warum wird das dorthin transportiert?
Tatsache ist, daß die Privatisierung andere Ergebnisse als die erwarteten brachte: Nur Teile der Wirtschaft sind nach privatkapitalistischen Prinzipien organisierbar, wie sich zeigt. In anderen erscheinen Formen einer, wie ich es nennen möchte, kollektiven Privatisierung.
Historische Grundlage dafür sind die gewachsenen kollektiven Strukturen Rußlands, Stichwort bäuerliche Dorfgemeinschaft, die als Industrie-Obschtschina in die Sowjetzeit überging und zum tragenden Prinzip des Staates wurde.
Auf der Basis der gewachsenen kollektiven Strukuren Rußland entstehen im Zuge der Privatisierung Formen dessen, was ich in Ermangeliung eines anderen Begriffes 'Kollektive Privatisierung' nennen möchte. Das frühere Staatseigentum wird von Kollektiven angeeignet, die in sich patriarchal paternalistisch organisiert sind. Aktuueller Ausdruck davon ist die Regionalisierung der letzten Zeit, in der sich Kommunen, Städte oder auch Regionen zu neuen Wirtschafträumen zusammenschließen. Der frühere monolithische Staatskapitalismus differenziert sich so in kleinere regionale Einheiten, die wiederum staatskapitalistisch, paternalistisch organisiert sind - aber unter Einschluß der Aktivität von den jeweiligen regionalen, kommunalen oder dörflichen Basen her. Das ist ein Vorgang, in dem andere Formen des Kapitalismus entstehen, als wir sie aus dem Westen gewohnt sind. - Ob dies gut oder schlecht ist, ist nicht die Frage: es geschieht so.
So weit nur, weitere Aspekte dazu habe ich in meinem Buch 'Herausforderung Rußland' zusammengetragen.
Spielwiese heißt eben - da entsteht wirklich etwas Neues, noch nicht dagewesenes, was nicht nur den nachholenden Industrialismus der UdSSR, sondern auch den Kapitalismus westlicher Prägung transformiert.

Betreff: Waiting for my man ... Kai Ehlers - Von: Bernd vd Brincken - Datum: 18.06.1998
Moderation: Einige Fragen wurden an Kai Ehlers gestellt - wenn Sie online sind, bitte kurz eine Antwort an diesen Text, damit wir die Fäden dann verfolgen können.

Betreff: Lebed - Von: Ludger Wiedemeier - Datum: 18.06.1998
Wie ist eigentlich die Meinung der Teilnehmer zu Alexander Lebed. Seit seinem politischen Comeback vor einigen Wochen ist er ja als Präsidentschaftskandidat fuer das Jahr 2000 im Gespräch. Ist Lebed was neues, oder doch nur wieder "Alter Wein in neuen Schläuchen". Wobei die Neuen Schläuche nur mit IMF Krediten finanziert worden sind.

Betreff: Strategiefrage - Von: Bernd vd Brincken - Datum: 18.06.1998
Bevor sich die Themen verlaufen, ein Versuch der Fokussierung:
Welches sind die wesentlichen, in Zukunft relevanten STICHWORTE für die Entwicklung in den GUS? - Evt. als in/out Liste, was ist 'in', was ist 'out'?

Betreff: Wirtschaft und Sicherheit - Von: Dr.Friedhelm Krüger-Sprengel - Datum: 18.06.1998
Zunächst zur Person.Ich bin Sekretär des Mid Atlantik Clubs Bonn, der sich seit den 70iger Jahren wiederholt in Diskussionsveranstaltungen mit den Beziehungen zur Sowjetunion und Rußland
befaßt hat.Unsere Mitglieder aus Industrieverbänden interessierte die wirtschaftslage und mögliche Geschäftsbeziehungen, die Politiker die innere und äußere Sicherheit als
Rahmenbedingung.Daher meine Fragen and russischen Teilnehmer:
- Welche Rolle spielen die Streitkräfte und die Rüstungsbetriebe für die russische Wirtschaft?
- Wie kann westlichen Vertretungen besserer Schutz vor Erpressungen geboten werden?
Die nächste VeranstaLTUNG DES MAC Bonn am 17.September wird sich mit dem Verhältnis Rußlands zu den baltischen Staaten befassen. Bereits bei der Vorbereitung wurde deutlich, daß ohne garantierte inner und internationale Sicherheit die wirtschaftliche Entwicklung gehemmt ist. Gilt dies letztlich nich auch für die ausländischen Investitionen in Rußland? Kann das Verhältnis Rußland zum westen und zur Nato dadurch vebessert werden, daß für den Bereich der neuen NATO, d.h.für alle Fragen der internationalen Zusammenarbeit mit Ausnahme der kollektiven Verteidigung ein Vertrag geschlossen würde, der Rußland für die Friedensaufgaben der neuen NATO volle Gleichberechtigung mit allen Bündnispartnern geben würde?
Summary
My contibution is presented in my capacity as secretary of the Mid Atlantic Club Bonn. The organized since the 70ies meetings and discussions
on the former Soviet Union and Russia.One often discussed subject centered on economy and inner and outer security.National and international security aspects have been put forward as a precondition for financial engagement and investments.From this background following questions arise:
-Which role has the Russion army and the armaments industry in the Russion economy?
-how can foreigen businees establishments be protected from attacks and illegal pressures?
The MAC Bonn will discuss the relationsship between Russia and the Baltic States in September.
The preperatory considerations show that the economis development in these countries depend to a large degree on the conditions for national and international security.May be an improvement might be possible via an agreement between Russia and the Western stats(NATO) which would grant Russia full rights and equal status with respect to issues of the new NATO, namely peace operations and international security measures accoerding to the United Nations Charta.

Betreff: Verabschiedung - Von: Kartte - Datum: 18.06.1998
Kartte an alle:
Für heute verabschiede ich mich von allen Gesprächspratnern mit herzlichen Dank für ihre Beiträge und Glück auf für Aurora!

Betreff: mittelstand - Von: ute weinmann - Datum: 18.06.1998
In welchen Bereichen soll sich der Mittelstand denn betätigen bzw. wo hätte er denn überhaupt Chancen, um sich durchsetzen zu können(auch gegenüber der westlichen Konkurrenz und auch auf dem russischen Markt)? Wären dazu nicht immense Mittel erforderlich, die niemand zu geben überhaupt in der Lage wäre? Es ist ja vielleicht ganz schön, daß immer wieder einzelne Regionen zu sog. Modellregionen erklärt werden (wie in diesem Fall Vladimir), aber als Finanzierungsmodell für das gesamte Land scheint uns das in seinen Erfolgsaussichten utopischer als die Einführung des Kommunismus?

Betreff: Ergänzung zu Wladimir - Von: Kartte - Datum: 18.06.1998
Ausgesucht werden die russischen Empfänger des Venture-Capital der Landesbank Berlin von einem russisch-deutschen Gemeinschaftsunternehmen namens WITZ, das mit Hilfe des Transform-Programms der Bundesregierung von Technologiezentren in Dortmund und Berlin entstanden ist.
Wer in Rußland investieren will und nicht über entsprechende eigene Apparate verfügt, sollte sich zuerst mit dem Kooperationsbüro der Deutschen Wirschaft in Berlin, am bestem mit seiner sehr munteren Chefin, Frau Dr. Beatrice Kühne in Verbindung setzen. Frau Kühne wollte mich daran hindern, das zu schreiben, aber der Wahrheit muß man die Ehre geben!

Betreff: English visitors? - Von: Bernd vd Brincken - Datum: 18.06.1998
Moderator: Up to now the conference has been conducted only in german because there seemed to be no english speaking visitors. - If there are any out there please reply (ANTWORT) to this message! (so we would focus more on the translation...)

Betreff: Zwischenbilanz - Von: Segbers - Datum: 18.06.1998
Die Mischung aus desaströsen Erwartungen/ Befürchtungen, optimistischen Verkennungen und Realismus ist oft nicht abgewogen genug.
Alles in allem können wir eine Reihe von recht soliden Feststellungen treffen, nach zehn Jahren raschen Wandels in der RF:
1 Es gibt keinen veränderungsresistenten russischen Nationalcharakter. Wenn das institutionelle Umfeld stimmt, ist Initiative, und viel davon, möglich.
2 Eine gemäßigte makroökonomische Stabilisierungspolitik, wie sie i.w. verfolgt wird, ist erfolgreich. Sie muß (und wird) mit ständigem Nachsteuern und bargaining verbunden sein. Und daß trotz geringer institutioneller Steuerungsmöglichkeiten.
3 "Demokratie" im Sinen formaler Regeln und Prozeduren, und überwiegend auf Parteien und Wahlen bezogen, ist erstmal nachrangig. Dagegen sind breite Kommunikationsräume und Minderheitenschutz vorrangig.
4 Die Installation von designer-Kapitalismus und nostalgischen "Dritten Wegen" ist gleichermaßen abwegig. Hier denken sich manche eine Spielwiese für Strategien, mit denen sie bereits im Westen gescheitert sind. Dagegen verwehren sich in der RF, zu Recht, viele.
Alles in allem - eine gemäßigte success story. To be continued.

Betreff: Hinweis: Neue Beiträge - Von: Bernd vd Brincken - Datum: 18.06.1998
Die Vielzahl der Themen erschwert jetzt langsam die Übersicht - unter dem Link "Neue Beiträge" (links oben) bekommt man eine Liste selbiger, nach Uhrzeit sortiert!

Betreff: Mittelstand - Von: Kartte - Datum: 18.06.1998
Ohne einen breiten Mittelstand wird Rußland nicht auf die Beine kommen. Leider ist dieses Bewußtsein bei den russischen Banken, auch bei der Sber-Bank , noch nicht lebendig. Der Mittelstand braucht aber Kreditinstitute, die ihn finanzieren. Gerade beim Mittelstand ist die Eigenkapitalquote bekanntlich sehr gering. Alle europäischen Länder verdanken ihren Wohlstand in erster Linie ihren mittelständischen Unternehmen. In Deutschland stellen die mittelständischen Unternehmen mehr als 50 % der Arbeitsplätze und fast drei Viertel der Ausbildungsplätze zur Verfügung.

Betreff: Offene Fragen - Von: Bernd vd Brincken - Datum: 18.06.1998
Moderation: Es sind noch offene Fragen von _Jürgen Bruchhaus_ und _Sabine Nuss_ (an Kartte) - bitte weiter unten nachlesen.

Betreff: Lipsits - Von: Trouchkine Igor - Datum: 18.06.1998
Gospodin Lipsitz, tolko vperöd! Moi anglijskij tozhe ne ochen. Glavnoe - uchastie!
V konze konzov ved ne posadjat zhe nas za plohuyu grammatiku!
Pishite klyuchevymi slovami - vas poimut!
Pervyi vopros: kogda poyavitsja v Rossii i SNG sredniy klass, k kotoromu budet prinadlezhat bolshaya polovina naseleniya?
Otvet, pozhalujsta, na anglijskom.

Betreff: Wirtschaftliche Rahmenbedingungen in Rußland - Von: Kartte - Datum: 18.06.1998
Fast wichtiger als wirtschaftsfreundliche Gesetze ist eine funktionierende staatliche Verwaltung. Rußland hat keine bürgerliche Vergangenheit und daher auch keinen Beamtenapparat, der mit liberalen Gesetzen umgehen kann. Hier ist Geduld nötig.
Die russischen Staatsmonopole wurden nicht aufgelöst, sondern sind großenteils in private Monopole überführt worden. Hier liegt eine wichtige Aufgabe für eine wirksame russische Anti-Trust-Politik. Werden die Russen die Kraft haben - wie die Amerikaner, die 1892 als Staatsnotwehr gegen die Monopolisten Rockefeller und Carnegie den Sherman-Act erlassen haben?

Betreff: Stimmungslage - Von: Bernd vd Brincken - Datum: 18.06.1998
Frage an Michael Harms: Da Sie regelmäßig mit deutschen (potentiellen) Investoren sprechen - wirken sich Wechsel in der politischen und wirtschaftlichen Stimmungslage in Moskau merklich auf das Interesse der deutschen Wirtschaft an den GUS aus?

Betreff: Tschubais - Von: Kartte - Datum: 18.06.1998
Kartte: Gaidar und Tschubais haben eine herausragende Rolle bei der Geburt der russischen Marktwirtschaft gespielt ( Preisfreigabe Anfang 1992 und Beginn der Privatisierung im Sommer 1992). Die russische Marktwirtschaft bedarf jetzt der Konsolidierung. Dafür bedarf es nicht der "reinen Lehre", sondern einer sozial verpflichteten Marktwirtschaft.

Betreff: Bedienung - Neue Fragen - Von: Bernd vd Brincken - Datum: 18.06.1998
Kleiner Hinweis an die Teilnehmer: Bitte blättern Sie gelegentlich nach unten, um ggfs. neue Fragen (zu Ihren 'alten' Antworten) zu sehen!

Betreff: Teilnahme - Von: Kartte, Harms - Datum: 18.06.1998
Prof. Kartte und Michael Harms sind anwesend und bereit in die Diskussion einzugreifen!

Betreff: Moscow welcome ! - Von: Bernd vd Brincken - Datum: 18.06.1998
A warm welcome also to the russian participants - Valeri Fadejew and Igor Lipsits.
My first question was about the latest finance problems of the russian Government - are these "normal" developments or signs of bigger problems?

Betreff: Neues aus Moskau - Von: Bernd vd Brincken - Datum: 18.06.1998
Zu Beginn eine Frage in die Runde: Die Finanzprobleme der letzten Wochen wurden in den Medien recht unterschiedlich bewertet - als übliche Bauchschmerzen oder auch als sich anbahnende Katastrophe. Was gibt es neues und wie sind diese aktuellen Vorgänge zu bewerten?

Betreff: Neues aus Moskau - Von: Bernd vd Brincken - Datum: 18.06.1998
Zu den Teilnehmern: Vom Kooperationsbüro der deutschen Wirtschaft in Berlin nimmt _Michael Harms_ teil, Frau Dr. Kühne ist aktuell verhindert. Kai Ehlers aus Hamburg wird um 15:00 dazustossen - zu den anderen Teilnehmern - siehe Links (oben rechts).