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Michail Kassjanow: Schmerzhafte Reformen

Der neue gewählte Ministerpräsident Russlands (Kommentar) sprach am 1.12. in Berlin über "Leistungen und Vorhaben" der neuen russischen Regierung, auf Einladung des Deutsch-Russischen Forum  und des Ost-Ausschuß der deutschen Wirtschaft.
Hier stichwortartig einige Auszüge zu aktuellen Fragen, insbesondere der Wirtschaftspolitik [Kommentare in Klammern]:
 

  • Leider ist Deutschland nur auf Platz 3 der Investoren in Russland...
  • Landwirtschaft: Es stehen schmerzhafte Reformen an... Es gibt das schmerzhafte Problem der Barter-Geschäfte [Tauschhandel], das macht momentan in einzelnen Betrieben teilweise 60 Prozent aus und soll auf 20 Prozent gesenkt werden, diese Zahlen spiegeln die schwachen Unternehmen wieder, die renoviert werden müssen. Es geht darum, in Russland eine kontinuierliche Entwicklung, auch unabhängig vom Weltmarkt zu sichern.
  • Verbesserung des russischen Images als eines Investitionsobjektes angestrebt.
  • Wir werden Bürokratische Verfahren verringern, es gibt ein neues Steuergesetz, einheitliche Sozialabgabe, einheitliche Importzölle, weniger Umsatzsteuer. Betriebskosten werden, was schon lange von Investoren gefordert wird, steuerlich absetzbar... "Corporate Government".
  • Ganz wichtig ist das Problem der Auslandsverschuldung, sowie das Bankwesen, hier sind Reformen notwendig. Die 98er Krise ["Rubelkrise"] hat vor allem das Bankwesen betroffen, wir brauchen hier mehr Wettbewerb und eine Reform der Bankenaufsicht. Es gibt zur Zeit 1400 Banken, nur 400-500 funktionieren aber nach westlichem Masstab; deutsche Banken sind hier ein internationales Vorbild.
  • Wir haben zur Zeit 2,5% Profizit, das ist der erste Überschuss-Haushalt.
    Wir arbeiten an der Transformation des Schuldenproblems in Fördermittel für Investitionen.
  • Strukturelle Reformen werden bei staatlichen Monopolen durchgeführt: Energie, Wohnung, Transport, insbesondere Gasprom.
  • Russland und Deutschland sind zu langfristiger Zusammenarbeit gezwungen.

Fragen aus dem Publikum:

  • Thema Forschung: Top-Performer der russischen Wirtschaft seien Bereiche wie Raumfahrt, Biotech und New Economy ? - Kassjanov: Nein, die "Old Economy" ist die Grundlage der Entwicklung und hat Vorrang [Beifall], Internet ist noch nicht so gut entwickelt, es gibt nur einige kleine Firmen.
  • Russland interessiert sich für eine WTO-Mitgliedschaft? - Kassjanow: Ja, aber einige Regionen sind sehr schwach [und brauchen weiter Subventionen], in 2-3 Jahren vielleicht, so schnell wie möglich.
  • Was macht die Korruptionsbekämpfung? - Kassjanow: Korruptionsbekämpfung ist unser Scherpunkt, es geht um weniger Spielraum des einzelnen Beamten. Die Korruption verlagert sich momentan von einer Umverteilung höherer auf tiefste Ebene. Daneben ist auch ein Lernprozess für Richter notwendig.
  • Welche Fortschritte macht die Bodenreform, die Möglichkeit des Grunderwerbs ist für deutsche Investoren doch wesentlich? - Kassjanow: Die Lanwirtschaft bedürfte einer Sonderdiskussion, dort gibt es viel zu tun, gegenüber dem Wirtschaftswachstums von 10% wächst sie nur mit 5%, immerhin. Es gibt Barterhandel [siehe oben], eine Unfähigkeit zu marktwirtschaftlichen Verhältnissen. Wir müssen die Landwirtschaft an Leasing und Kredite gewöhnen... Das sind sensible Fragen, zuletzt dominierten dort orthodoxe, extrem linke oder extrem rechte Ansichten. Markt kann sich nicht ohne Boden durchsetzen, ohne Hypotheken und Verpfändung gibt es keinen Fortschritt. Um dieses Thema haben bisher alle einen grossen Bogen gemacht und wir werden auch das angehen.
  • Anmerkung eines Bankenvertreters: Russland sei momentan gut beraten, die Auslandsverschuldung nicht anzusprechen [den Schuldenerlass zu fordern].

Michil Kassjanow


  Bernd von den Brincken, email: bvdb@asa.de